In diesem Winter ist wieder mit einer hohen Preisvolatilität an den Gasmärkten zu rechnen, die möglichen Szenarien gehen weit auseinander. Ob die vollen Gasspeicher auch im Falle eines kalten Winters ausreichen werden, hängt vom Gasangebot per LNG und Pipelines ab. Ein Blick in die Wintersaison.
Die letzten drei Winter waren warm
Im letzten Winter 2023 lag die Nachfrage in Europa bei insgesamt 2500 TWh, 16 Prozent weniger als im Durchschnitt der fünf vorherigen Jahre.
Das Angebot setzte sich aus Pipeline-Lieferungen (1100 TWh), LNG-Aussendungen (800 TWh), Netto-Ausspeicherungen (400 TWh) und heimischer Gasförderung (200 TWh) zusammen.
Die letzten drei Winter waren warm. Die Statistik, dass nun ein kalter Winter folgen könnte, taugt nur bedingt. Verlässliche Wettervorhersagen für die nächsten sechs Monate gibt es nicht.
Unsicherheit russische Gaslieferungen
Russland exportierte im letzten Winter per Pipeline insgesamt 180 TWh nach Europa. Davon würden ab 2025 durch den Wegfall des Ukraine-Transits dem Markt im Winter rund 40 TWh fehlen. Nicht viel im Vergleich zur Nachfrage des gesamten Winters, jedoch bedeutend für Länder mit bisher hohem Importanteil von russischem Erdgas.
Am Markt kursieren derzeit unterschiedliche Einschätzungen, wie beispielsweise Österreich und Ungarn die Versorgung während eines kalten Winters ohne russisches Erdgas sicherstellen können. Kontrovers wird auch diskutiert, wie sich dies dann auf die Versorgungssituation in Italien auswirken würde.
Die Ukraine schließt derzeit eine Fortsetzung in 2025 des Transits von russischem Erdgas kategorisch aus. Gleichzeitig zeigt man sich dem Transit von aserbaidschanischem oder kasachischen Erdgases aufgeschlossen. Aserbaidschan seinerseits ist dazu in Verhandlungen mit der Ukraine und mit Russland, wobei unklar ist, wie Aserbaidschan aus eigener Produktion die Transitmenge stemmen könnte.
LNG-Angebot muss sich wieder verbessern
Im letzten Winter 2023 importierte die EU die Rekordanzahl von 790 LNG-Tankerladungen. Die Aussendungen der LNG-Terminals lagen bei insgesamt 800 TWh und damit 10 Prozent über dem Fünf-Jahres-Mittel. Das starke Angebot und die schwache Nachfrage ermöglichten zum Ende des Winters die hohen Speicherstände.
Während der zurückliegenden Monate April bis August kamen jedoch nur 538 LNG-Lieferungen an, die Importe fielen zeitweise auf den tiefsten Stand seit drei Jahren. Die LNG-Aussendungen waren daher schwach und lagen mit nur 480 TWh um 15 Prozent unter der Fünf-Jahres-Norm.
Es bedarf in den kommenden Monaten daher wieder einer Verbesserung der LNG-Importe Europas, um die Auslastung der LNG-Terminals wieder hochzufahren und um ausreichend Flexibilität dem Markt auch an kalten Tagen zur Verfügung zu stellen.
Volle Gasspeicher
Deutschland hatte das Füllstandziel der Gasspeicher von 95 Prozent bereits vorzeitig zu Beginn des Monats erreicht. Die Gasspeicher der EU sind derzeit zu 93 Prozent gefüllt. Wie auch im letzten Jahr scheint es daher möglich, die vollständige Füllung der Gasspeicher im Laufe des Oktobers zu erreichen.
Die Gasspeicher der EU können insgesamt rund 1150 TWh Arbeitsgas einspeichern, davon wurden im letzten Winter nur rund 400 TWh netto ausgespeichert. Maßgeblich bedingt durch eine temperaturbedingt sehr niedrige Gasnachfrage im November 2023 und vor allem im Februar 2024. Die Gasspeicher waren zum Ende der Wintersaison zu 59 Prozent gefüllt.
Wenn die Gasspeicher nicht ausreichen
Der Verband Europäischer Fernleitungsnetzbetreiber für Gas (Entso-G) veröffentlichte im letzten Frühjahr für den kommenden Winter eine Marktmodellierung für den Fall des kompletten Ausfalls der Gasimporte aus Russland. Vereinfacht kann man diese wie folgt zusammenfassen:
Verläuft die Gasnachfrage im kommenden Winter und das LNG-Angebot wie im Winter 2023 (warmer Winter, starkes LNG-Angebot), so könnte zu Ende März 2025 erneut ein Speicherfüllstand von 59 Prozent realisiert werden.
Wird es kälter, d.h. die Nachfrage steigt auf die Fünf-Jahres-Norm und die LNG-Importe verharren auf dem niedrigen Niveau der letzten Monate dann würde der Speicherstand zum Ende der Saison auf 11 Prozent fallen. Nachfragekürzungen von bis zu 10 Prozent wären dazu notwendig.